Fünf Fragen an Peter-André Alt

Peter-André Alt ist Literaturwissenschaftler an der Freien Universität Berlin, deren Präsident er von 2010 bis 2018 war. Seit Sommer 2018 ist er Präsident der Hochschulrektorenkonferenz. Er spricht sich für Qualitätskriterien für Wissenschaftskommunikation aus

Die Virologinnen und Virologen, die in diesen Monaten im Licht der Öffent­lichkeit stehen, streiten miteinander und korrigieren sich selber. Gleich­wohl ist das Vertrauen der Menschen in die Wissenschaft in dieser Zeit deutlich gestiegen. Wie erklären Sie sich das?
Wir sehen, dass es der Mühen wert ist, die Methoden und Prozesse von Wissen­schaft transparent zu machen. Es reicht eben nicht, über Ergebnisse zu berichten und Erfolge zu feiern. Im Fall von Covid-19 investiert eine Reihe von Wissen­schaft­lerinnen und Wissen­­schaftlern über Monate viel Zeit und Kraft in die Erläu­terung der Entwicklung und stellt sich öffentlichen Diskussionen. Man gibt ihnen dafür in den klassischen Medien Raum, und die Politik hat von Anfang an sehr deutlich auf die Wissen­schaft Bezug genommen – beides ist nicht die Regel.

Peter-André Alt
©HRK/David Ausserhofer

In der Krise zeigt sich auch, wie wichtig die fachliche Expertise für politische Entscheidungen ist. Glauben Sie, dass die Politik dies goutiert und der Wissen­schafts­kommunikation zukünftig größere Bedeutung beimisst?
Man kann schon länger feststellen, dass das Thema politisch nach vorn gerückt wird. Die schnelle Verbreitung von – teils gezielt gestreuten – Fehl­informationen und die Erfolge populistischer Strö­mungen haben das Bewusstsein dafür gestärkt, dass gute Wissen­schafts­­kom­mu­­nikation eine gesellschafts­­politi­sche Frage von erheblichem Stellen­wert ist.

Die Warnungen vor dem menschen­gemachten Klimawandel dringen derzeit kaum noch durch. Können die Klima­­forscherinnen und -forscher und Medien von der Wissen­schafts­kommu­nikation während der Corona-Pandemie lernen?
Die Themen sind nur begrenzt vergleichbar: Der Klima­wandel geht langsam vonstatten, die Zusammen­hänge sind hoch­komplex, die individuelle Betroffenheit erscheint gering, Medien und Politik waren lange Zeit zurück­haltend. Was wir lernen können? Dass wir uns den politischen Wünschen nach letzten Wahrheiten entziehen müssen und können, dass wir die sozialen Medien noch besser nutzen, Anfein­dungen und irrationale Auf­wallungen aushalten und mit Ruhe und Beharr­lichkeit reagieren müssen.

Was sagen Sie den Wissen­schaft­lerinnen und Wissen­schaftlern, die neben ihrer Arbeit in Forschung und Lehre nicht auch noch am öffentlichen Diskurs teil­haben können oder wollen?
Ich sage: Wir brauchen den Diskurs, wir tragen da Verantwortung, aber es darf keinen Kommunikations­zwang für die Einzelnen geben.

Müsste die Wissenschaftskommuni­kation – und entsprechende Qualitäts­­standards – am Ende zum festen Bestand­teil der Ausbildung werden?
Grundlegende Kommunikations­­fertigkeiten, einschließlich Spiel­regeln und Rechts­fragen, müssen Teil wissenschaftlicher Qualifizierung sein. Wie wir darüber hinaus Talent und Engagement für Wissens­chafts­­kommunikation sinn­voll fördern können, wollen wir in der HRK demnächst systematisch ausloten.

— Die Fragen stellte J. Schüring

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