„Es gibt kein spannenderes Feld als die Optik!“
Max Gmelch erhielt 2021 den KlarText-Preis. Heute leitet er eine Graduiertenschule der FAU Erlangen-Nürnberg und verantwortet das hauseigene Wissenschaftszentrum panOPTICUM. Ein Gespräch über die Tücken der Wissenschaftskommunikation – und darüber, warum er an einem Popcornexperiment scheiterte
Herr Gmelch, woran basteln Sie gerade?
Unser Team baut eine Versuchsstation zur Infrarot-Bildgebung. Man wird Objekte unter eine spezielle Kamera halten können, zum Beispiel Kaffeebohnen oder schwarze Murmeln.
Was passiert dann?
Mit bloßem Auge sind die Bohnen und die Murmeln nur schwer zu unterscheiden. Unter dem Infrarotlicht aber strahlen die Bohnen sehr hell, die Murmeln bleiben dunkel. Wir wollen damit zeigen, dass Licht ein Werkzeug sein kann, um Dinge zu erkennen, die man sonst nicht sieht.
Nach diesem Prinzip ist ja das ganze panOPTICUM aufgebaut: Sie wollen demonstrieren, was Licht alles kann.
An der Decke hängen bei uns große Buchstaben, die unter Schwarzlicht leuchten. Dahinter steckt die Fluoreszenz, man kennt sie vom leuchtenden T-Shirt in der Disko: Farbstoffe nehmen Licht auf und senden es mit anderer Farbe wieder aus. Das ist zum Beispiel in der modernen Mikroskopie sehr wichtig. Viele mikroskopisch kleine Strukturen wie menschliche Zellen oder Proteine lassen sich mithilfe von Fluoreszenz viel besser untersuchen. Damit lernen wir viel über dynamische Prozesse wie die Zellteilung oder die Angriffsstrategien von Bakterien und Viren. Auf solche Forschung beziehen wir uns im panOPTICUM – es sieht also nicht nur schön aus, sondern hat stets aktuellen Bezug zur Wissenschaft.
Nun sind Laser oder Mikroskope, die man im panOPTICUM sehen kann, keine neuen Erfindungen. Welche Innovationen hält die Optik bereit?
Viele! Ich finde sogar, dass es kein spannenderes Feld gibt als die Optik. Man darf sich darunter ja nicht nur Linsen oder den Lichtstrahlengang vorstellen. Schauen Sie mal auf die Nobelpreise der vergangenen Jahre: Für die superhochauflösende Mikroskopie gab es einen Nobelpreis, für die blaue LED, für optische Materialien namens Quantum Dots. Auch Qubits, auf die Quantencomputer aufbauen, lassen sich optisch ansteuern und auslesen. Die Kernfusion funktioniert mit Lasern, die extrem stark auf einen winzigen Punkt fokussiert werden. Optische Technologien sind unglaublich breit aufgefächert und deshalb für etliche große Bereiche relevant. Dadurch wird es nie langweilig.
Zur Person: Dr. Max Gmelch leitet die Erlangen Graduate School in Advanced Optical Technologies (SAOT) an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Im hauseigenen Wissenschaftszentrum panOPTICUM werden Besucher:innen an die aktuelle Forschung im Bereich Optik und Licht herangeführt – mit interaktiven Experimentierstationen, die Gmelch meist selbst entwickelt und gebaut hat. Er hat Physik in Regensburg studiert und anschließend in Dresden promoviert. Schon früh engagierte er sich für die Wissenschaftskommunikation, indem er interaktive Physikausstellungen organisierte und an zahlreichen Science-Slams teilnahm. Von der Klaus Tschira Stiftung erhielt er 2021 den KlarText-Preis.
Wie sind Sie selbst zu dieser Spezialisierung gekommen?
Im Studium bin ich im dritten Semester in einer richtig inspirierenden Optik-Vorlesung gelandet. Es gab ständig neue Experimente, ich habe am laufenden Band neue Phänomene kennengelernt – seitdem hat mich das Thema nicht mehr losgelassen. Für mich ist es das anschaulichste Teilgebiet der Physik: Es geht schon mit dem Regenbogen los oder mit der Frage, warum eine Glühbirne nicht so effizient ist wie eine LED. Was unterscheidet einen Laser von einer herkömmlichen Lichtquelle? Ich habe meine Bachelor- und dann die Masterarbeit in diesem Feld geschrieben und schließlich zu optischen Eigenschaften von organischen Molekülen promoviert.
Wie kamen Sie denn dann zur Wissenschaftskommunikation?
Das hat mit der Musik zu tun.
Das müssen Sie erklären.
Ich bin Hobbymusiker, in diversen Bands spiele ich E-Gitarre, E-Bass und verschiedene andere Instrumente. Als dann Beiträge für einen Science-Slam gesucht wurden, habe ich mir gedacht: Eine Bühne ist nichts Neues für mich, ich versuche es mal.
Bei einem Science-Slam versuchen Forschende, ihr Fachgebiet witzig und unterhaltsam zu präsentieren.
Genau, und zum ersten Mal war ich 2015 dabei, damals noch als Student.
Am Ende stimmte das Publikum ab, und Sie haben gleich bei Ihrem ersten Auftritt gewonnen.
Vor allem habe ich viel gelernt dabei! Ich habe das Kernprinzip der Wissenschaftskommunikation verstanden: Man muss seine Zielgruppe kennen. Ich halte meinen Vortrag also nicht vor Fachkolleginnen und -kollegen, sondern muss gut überlegen, was ich inhaltlich voraussetzen kann und was die Zuhörerinnen und Zuhörer von mir erwarten. Das verbinde ich mit ein paar Witzen, und auf einmal kann ich auch komplexe Inhalte so transportieren, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer gern zuhören.
So ähnlich funktioniert ja auch das panOPTICUM, oder?
Stimmt, mir war auch hier wichtig, dass in der Ausstellung nicht gerechnet oder protokolliert werden muss. Niemand muss sich mit Fachliteratur befassen. Man kann einfach bei den Experimenten mitmachen – und darüber entsteht die Neugier auf die wissenschaftlichen Fragen, die dahinterstehen.
Das hört sich alles locker und spielerisch an. Kommen Sie selbst eigentlich ins Schwitzen, wenn Sie für das panOPTICUM ein Thema aufarbeiten?
Die harte Arbeit steht ganz am Anfang: Da überlegen wir, wie man ein bestimmtes hochkomplexes Forschungsfeld für die Ausstellung umsetzen kann. Jedes Experiment muss zuverlässig funktionieren, es braucht einen gewissen Aha-Effekt, es muss gehaltvoll sein – und viel kosten darf es natürlich auch nicht.
Ist das für Sie als promovierter Physiker eine bloße Fingerübung, oder lernen Sie inhaltlich auch noch etwas dazu?
Klar lerne ich noch etwas dazu! Wir haben zum Beispiel ein Exponat, mit dem man seinen Atem sichtbar machen kann. Im Fachjargon heißt das Schlieren-Set-up. Man kann sich das so vorstellen wie die flirrende Luft über einer heißen Straße im Hochsommer. Das Zusammenspiel von Lichtquellen, Spiegeln, Kameras und anderem Zubehör kann man so fein justieren, dass man das Flirren beim Ausatmen als Hell-Dunkel-Kontrast auf einem Bildschirm sieht. Das hat es wissenschaftlich schon in sich, und man braucht für die Feinjustierung einiges an Erfahrung. Genau das reizt mich am panOPTICUM: Jedes unserer Experimente hat unterschiedliche Ebenen. Ich kann bei einer Schulklasse eher im Allgemeinen bleiben, dann für Studierende eine Schippe drauflegen – und schließlich, auf einer weiteren Ebene, auch erfahrene Fachkolleginnen und -kollegen ansprechen.
Nun gibt es in Nürnberg den „Turm der Sinne“, der sich auch mit anschaulicher Wissenschaft beschäftigt. In Jena gibt es das ungleich größere Deutsche Optische Museum, dazu etliche Science-Zentren in verschiedenen anderen Städten. Was ist das Besondere am panOPTICUM?
Unser Ansatz ist ja ganz anders: Wir gehören zur Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und stehen dadurch in ständigem Austausch mit zahlreichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. In unseren Experimenten geht es um die aktuelle Forschung hier an der Universität, die wir erlebbar machen wollen. Das ist für alle Beteiligten ein großer Pluspunkt. Manchmal gehen Experimente aber trotzdem auch schief.
Ich bin gespannt!
Unsere Popcornmaschine macht mir Sorgen. In ihr lässt sich Wärmestrahlung mit einer Art Parabolspiegel so konzentrieren, dass sie ein Maiskorn in Popcorn verwandelt – und zwar jedes Korn einzeln. Das Ding funktioniert aber leider nicht so, wie es soll: Das Korn erhitzt sich auf der einen Seite unheimlich stark, auf der anderen Seite aber nicht schnell genug. Dadurch verbrennt die Schale, und es passiert gar nichts. Eigentlich wollten wir mit dem Experiment zeigen, dass man Wärmestrahlen ebenso wie Licht bündeln kann, weil es letztlich die gleiche Art von Strahlung ist, nur in einem anderen Wellenlängenbereich.
Und was passiert jetzt mit dem Popcorn?
Wir sind gerade dabei, einen Ersatz für unsere Maschine zu suchen. Und ich selbst muss künftig wohl wieder ins Kino gehen, wenn ich Lust auf Popcorn habe.