Physik Eine Reise zu den Schwarzen Löchern
Was passiert mit einem Astronauten, der in ein Schwarzes Loch stürzt? Kann es sein, dass er hindurchfällt und sein weiteres Schicksal unvorhersagbar wird? Das wäre ein großes Problem für die Allgemeine Relativitätstheorie
Das Universum ist voller Schwarzer Löcher. Soweit wir wissen jedenfalls, denn es liegt in ihrer Natur, dass sie sich der Beobachtung weitgehend entziehen. Zum Beispiel wird ein Beobachter von außerhalb niemals sehen, was einem Astronauten passiert, der in ein Schwarzes Loch fällt. Um das zu ergründen, müssen wir uns auf eine Reise durch das Universum mithilfe der Mathematik begeben.
Mathematisch lassen sich Schwarze Löcher mit Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie verstehen. Diese Theorie beschreibt, wie Masse und Energie Raum und Zeit krümmen. Diese Krümmung ist das, was wir als Gravitation wahrnehmen. Manche Lösungen der „Einsteingleichungen“ enthalten eine Region in Zeit und Raum, die so gekrümmt ist, dass selbst Licht aus ihr nicht mehr entkommen kann – ein Schwarzes Loch. Am einfachsten lassen sich Schwarze Löcher mathematisch unter der Annahme beschreiben, dass sie sich mit der Zeit nicht verändern. In diesem Fall charakterisieren ein Schwarzes Loch drei Eigenschaften: Masse, elektrische Ladung und ein Drehmoment, das seine Rotation beschreibt.
Beobachten wir unseren Astronauten in der Nähe eines Schwarzen Lochs. Was passiert mit ihm, wenn er den sogenannten Ereignishorizont überquert hat – jene Grenzfläche, ab der sogar Licht dem Schwarzen Loch nicht mehr entkommen kann? Die Antwort ist abhängig von der Art des Schwarzen Lochs. Wenn es elektrisch geladen ist oder rotiert, verfügt es nicht nur über einen Ereignishorizont, sondern über einen weiteren Horizont in seinem Inneren. Von hier an kann auch die Allgemeine Relativitätstheorie keine Antworten mehr geben, selbst wenn wir zu einem früheren Zeitpunkt den genauen Zustand des gesamten Universums kennen würden. Dieser Verlust der Vorhersagbarkeit ist ein prinzipielles Problem der Allgemeinen Relativitätstheorie.
In der klassischen Physik geht man davon aus, dass eine Theorie zumindest hypothetisch vorhersagen kann, was mit dem beschriebenen physikalischen System passiert, sofern man seinen Zustand zu einem früheren Zeitpunkt genau kennt. Das Schicksal unseres Astronauten würde also bedeuten, dass die Allgemeine Relativitätstheorie dieses Prinzip verletzt und damit als klassische Theorie unvollständig ist. Wir können nicht sagen, was mit dem Astronauten passiert. Er könnte in ein anderes Universum fallen, Zeitreisen machen – oder seine verlorenen Socken wiederfinden.
Die Reise des Astronauten gibt jedoch auch Hinweise auf eine mögliche Lösung. Denn alles, was jemals zu irgendeinem Zeitpunkt in ein Schwarzes Loch fällt, ob Astronaut oder Quantenteilchen, endet am inneren Horizont. Diese Anhäufung sorgt dafür, dass Raum und Zeit am inneren Horizont unendlich stark gekrümmt werden und dem Astronauten die Weiterreise unmöglich machen. Tatsächlich reicht schon eine winzige Veränderung aus, um den inneren Horizont unüberwindbar zu machen. Diese Idee ist die Basis der „starken kosmischen Zensurvermutung“ des britischen Mathematikers und theoretischen Physikers Sir Roger Penrose. Damit wäre das Problem mit der Vorhersagbarkeit gelöst.
Bisher weiß man nicht, ob, und wenn ja, in welcher genauen mathematischen Form diese Vermutung stimmt. Einige Formen der Vermutung wurden allerdings bereits ausgeschlossen. Spannend wird es, wenn man die sich beschleunigende Ausdehnung des Alls – die kosmische Expansion – berücksichtigt. In diesem Fall kann sogar eine abgeschwächte Form der Zensurvermutung verletzt sein. Diese Verletzung tritt insbesondere auf, wenn das Schwarze Loch eine große elektrische Ladung hat.
Allerdings berücksichtigt dieses Ergebnis nur klassische Effekte. Was aber, wenn man Quanteneffekte einbezieht? Wir wissen, dass Materie auf kleinen Skalen am besten durch Quantenfeldtheorien beschrieben wird und dass Quanteneffekte einen gewaltigen Effekt auf Schwarze Löcher haben können. Ein Beispiel dafür ist die bahnbrechende Entdeckung von Stephen Hawking. Demnach können Schwarze Löcher durch ihre Wechselwirkung mit Quantenfeldern verdampfen. Doch sind diese Effekte auch stark genug, um die starke Zensurvermutung in den Fällen zu retten, in denen sie klassisch verletzt ist?
Dem wollten wir auf den Grund gehen – und haben zunächst verschiedene Quantenfeldtheorien am inneren Horizont eines stark geladenen Schwarzen Lochs und unter dem Einfluss der kosmischen Expansion betrachtet. Bisherige Untersuchungen dazu basieren auf möglichst einfachen Theorien – ohne die kosmische Expansion zu berücksichtigen und für ein Feld, das masselose Teilchen beschreibt.
Ein erster Schritt bestand darin, die bestehenden Ergebnisse um die kosmische Expansion und massebehaftete Teilchen zu erweitern. Dazu brachten wir die ziemlich komplizierte Gleichung zunächst in eine für Computerberechnungen geeignete Form und implementierten anschließend einen Algorithmus, mit dem sich die Gleichung lösen lässt. So fanden wir heraus: Das Verhalten des Quantenfeldes kann tatsächlich dafür sorgen, dass die starke Zensurvermutung in diesem Fall gilt.
Doch dieses einfache Quantenmodell ist noch unbefriedigend, da es ungeladene Teilchen beschreibt. Man braucht jedoch geladene Materie, um ein geladenes Schwarzes Loch zu erzeugen. Außerdem wird auch in einem solchen Szenario die Zensurvermutung klassisch verletzt. Daher haben wir als Nächstes das Verhalten eines geladenen Quantenfeldes studiert. Wir haben eine Formel erarbeitet, mit der man das Problem wieder auf das Lösen einer Gleichung mithilfe eines ähnlichen Algorithmus wie im ersten Fall reduzieren kann. Dazu mussten wir nicht nur einen Zustand für das Quantenfeld wählen und dann demonstrieren, dass er physikalisch Sinn ergibt. Hier bekommt man es auch mit schwierigen Unendlichkeiten zu tun, die man durch ein Verfahren namens Renormierung oder andere magische mathematische Tricks loswerden muss.
Nachdem diese Schwierigkeiten überwunden waren, konnten wir das Verhalten des geladenen Quantenfeldes schließlich numerisch berechnen. Das Ergebnis hat uns überrascht. Die Quanteneffekte waren zwar wieder stark genug, um die Zensurvermutung zu erhalten. Doch sie konnten lokal die Ladung des Schwarzen Lochs erhöhen – also genau das Gegenteil von dem, was man ohne die Krümmung von Zeit und Raum erwarten würde. Damit konnten wir zeigen, dass ein intuitives Verständnis von Quantenphysik im Inneren von Schwarzen Löchern nicht mehr ausreichend ist, um Quanteneffekte zu verstehen.
Wir sind noch eine Stufe weitergegangen: Wir haben uns rotierenden Schwarzen Löchern zugewandt. Zwar ist hier keine Verletzung der abgeschwächten Zensurvermutung bekannt, aber diese Schwarzen Löcher bilden ein besseres Modell für die Schwarzen Löcher im All. Hier haben wir erst den ersten Schritt getan, da rotierende Schwarze Löcher mathematisch noch deutlich komplizierter sind. Wir haben einen geeigneten Zustand für unser einfaches Quantenfeld konstruiert und gezeigt, dass er physikalisch sinnvoll ist.
Doch nicht nur in diesem Fall gibt es noch viel zu tun. Wir haben einen Beitrag zu der Frage geleistet, wie Quanteneffekte das Schicksal unseres hypothetischen Astronauten beeinflussen. Es ist aber weiterhin offen, was mit ihm passiert, wenn sich das Schwarze Loch mit der Zeit verändert. Oder wenn man berücksichtigt, dass es langsam verdampft. Oder was passiert, wenn man versucht, auch
Gravitation mit einer Quantentheorie zu beschreiben. Wir stehen also gerade erst am Anfang der mathematischen Reise ins Innere der Schwarzen Löcher.
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